Mittwoch, 18. April 2012

O B I – O hne   B etriebliche   I nteressenvertretung?


Behinderungen von Betriebratswahlen, Bagatellkündigungen gegen Betriebsräte, Schulungen zum Thema „In Zukunft ohne Betriebsrat“: Massive Vorwürfe gegen die Baumarktkette OBI. Interessenvertreter/-innen haben hier einen schweren Stand.

Lediglich in knapp 40 der bundesweit 330 OBI-Filialen gibt es laut Gewerkschaft ver.di einen Betriebsrat. Steckt da System dahinter? (In gerade mal 3 der 17 HEV-Franchise-Filialen - Anm. d. Red.)




Wahlbehinderungen und Druck auf Mitarbeiter/-innen 
Arbeitnehmervertreter/-innen und Gewerkschafter/-innen erheben schwere Vorwürfe gegen den Marktführer der Baumarktbranche, so 
Spiegel Online in einem Bericht vom 13.07.2009. Es werde immer wieder versucht die Gründung von Betriebsräten bereits im Vorfeld zu verhindern. „Überall, wo Betriebsräte gegründet werden sollen, gibt es erhebliche Widerstände und Schwierigkeiten“ klagt der Gewerkschafter Rainer Reichenstetter, zuständig für den Fall OBI in der ver.di Bundeszentrale. So wird etwa aus der bayrischen OBI-Filiale in Erding berichtet, dass die Firmenleitung angesichts bevorstehender Betriebsratswahlen „eine Stimmung der Angst“ geschürt habe. Es sei verbreitet worden, dass ein Betriebsrat u. U. Arbeitsplätze gefährden könnte. Als Ergebnis fanden sich nicht mehr ausreichend Kandidat-/innen, die sich für das Amt aufstellen lassen wollten. Schikanen und Kündigungen
Weiterhin berichtet 
Spiegel-Online, dass Betriebsratsmitglieder oder potentielle Kandidat-/innen schikaniert oder unter Vorwand gar fristlos gekündigt werden. Herbert Fahlisch, Betriebsrat in einer Stuttgarter Filiale, bekam dies zu spüren: Nach sieben Jahren im Betrieb ohne Probleme, wurde er plötzlich innerhalb kurzer Zeit wegen angeblicher Kundenunfreundlichkeit und der Unterlassung von Anweisungen zweimal abgemahnt und schließlich gekündigt. Die Kündigung wurde erst aufgehoben als er vor das Arbeitgericht zog. „Als ich für den Wahlvorstand kandidierte, begannen plötzlich das Mobbing und die Schikanen“, erinnert sich Fahlisch in dem Spiegel-Artikel. Auch dem Betriebratsvorsitzenden der schwäbischen Filiale in Bietigheim Klaus Armbruster wurde fristlos gekündigt. Grund: er habe einen Weihnachtbaum nicht bezahlt. Der Betriebsratsvorsitzende (BRV) hatte nach Erlaubnis der Filialleitung den Mitarbeiterrabatt für sich und seine Frau von 50% addiert und war davon ausgegangen dementsprechend nichts für den Baum zahlen zu müssen. Das Arbeitsgericht Ludwigsburg entschied letztlich zugunsten des nach eigener Auskunft unbequemen BRV und OBI musste seine Kündigung zurückziehen. Diese Beispiele sind für den ver.di-Sekretär Christian Paulowitsch eindeutige Indizien für eine systematische Konzernpolitik, die Mitbestimmung zu verhindern sucht: „Bei Obi will man keine Betriebsräte, kritische schon gar nicht.“ Schulungen im „Betriebsrat-Killing“
In dieses Bild passt auch der Vorwurf eines weiteren 
ver.di-Sekretärs, Orhan Akman, der behauptet, dass die Baumarktkette seine Führungskräfte gezielt darin schule wie man Betriebsräte erfolgreich loswerde. OBI-Fillialeiter haben, laut Akman, hierfür an Seminaren der Kanzlei Schreiner mit dem Titel „In Zukunft ohne Betriebsrat“ teilgenommen, in denen laut Seminarankündigung etwa von „windelweichen Betriebsräten“ die Rede ist und Inhalte wie die „Kündigung von Betriebsräten“ oder der „Einfluss auf die Betriebsratswahl“ behandelt werden. OBI will dies nicht bestätigen und ist darum bemüht klarzustellen, dass es in Seminaren, die von OBI-Führungskräften besucht werden lediglich um den korrekten Umgang mit Betriebsräten gehe. Auf Anfrage von Spiegel-Online ließ die Kanzlei mitteilen, dass es sich in ihren Seminaren ausschließlich „um legale Wege, einen Betriebsrat loszuwerden“ handele - ein in unseren Augen seltsames Rechtsverständnis und eine Auffassung von betrieblicher Mitbestimmung zum abgewöhnen! Mehr betriebliche Mitbestimmung notwendig
Die Vorwürfe machen einmal mehr deutlich, dass es höchste Zeit ist für mehr Mitbestimmung innerhalb der Einzelhandelsbranche, schließlich haben Arbeitnehmer/-innen ein Recht auf demokratische Mitsprache und Mitbestimmung. Deshalb sind heute couragierte Interessenvertreter/-innen wichtiger denn je, die Betriebsratsamts ausfüllen und so dafür sorgen, dass die Kolleg-/innen zukünftig nicht zum Spielball der Arbeitgeberseite werden. Und wenn sich irgendwer auf der Basis der freiheitlich demokratischen Grundordnung bewegt, dann sind es natürlich die Interessenvertretungen, denen die wichtige Aufgabe zufällt, das Sozialstaatsprinzip zu verwirklichen und die Lebenssachverhalte zu gestalten. Diese Tätigkeit hat der Gesetzgeber unter seinen besonderen Schutz gestellt. Und wie man sieht funktioniert das ja auch.
Im Gegensatz dazu halten wir das für eine spannende Frage, ob das Aufzeigen 
legaler Wege, einen Betriebsrat loszuwerden nicht auch Beihilfe oder Anstiftung zu einer Straftat sein könnte, ist es doch bei Strafandrohung verboten die Tätigkeit des Betriebsrates zu stören, behindern, beeinflussen. 

(Quelle: www.praxis-fortbildung.de vom 29.07.2009)